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_______  12. 4. bis 28. 4. 2016 

_______  4. 4. bis 12. 4. 2016


Colbun - Villa Baveria - Vicuna

Es regnet und regnet und regnet. Zum Glück fuhren wir gestern über den wunderschönen Paso Pehuenche. Heute sieht man keine Berge mehr, nur Wolken und Regen. Die Pässe sind geschlossen wegen Schnee und Erdrutschen. Damit gibt es keinen Übergang von Chile nach Argentinien mehr. Im Moment sind wir „eingeschlossen“. Wir machen uns auf, südwärts, denn wir wollen ins Dorf Villa Baviera. Über dieses Dorf, das früher Colonia Dignidad hiess und festungsähnlich ausgebaut wurde, haben wir viel gelesen. Weltweit wurde es bekannt während der Pinochet-Diktatur und der begangenen Menschenrechtsverletzungen. Wir wollen mehr erfahren und uns ein eigenes Bild von diesem speziellen Ort machen. 1961 würde auf einem Gebiet von 30`000 Hektaren die Colonia Dignidad, die Kolonie der Würde, von Paul Schäfer gegründet. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Deutschland Ermittlungen gegen Schäfer wegen sexuellem Missbrauchs von Kindern aufgenommen hatte, flohen er und einige Anhänger 1961 nah Chile und gründeten die Kolonie. Streng abgeschottet von der Aussenwelt lebten die Deutschen da und bauten das Dorf auf. Als 1973 Pinochet an die Macht kam wurde die Kolonie auch zu einer Operationsbasis des Pinochet-Geheimdienstes. Jahrelang diente die Colonia als Folterzentrum des chilenischen Geheimdienstes und die Häftlinge wurden als Zwangsarbeiter eingesetzt. Verbrecherische medizinische Versuche wurden an den Häftlingen durchgeführt. Schäfer tauchte 1997 unter weil er von der Justiz gesucht wurde. Dies nachdem ein Mitbegründer geflohen war und Aussagen machte. 2004 sprach ein chilenisches Gericht Schäfer in Abwesenheit wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig und er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er starb 2010 88jährig während des Strafvollzugs. Bis zu seiner Festnahme 2005 scheiterten alle Versuche die Enklave unter Kontrolle zu bekommen.

 

Wir werden herzlich empfangen von einer deutschsprechenden Frau die hier geboren wurde. In das Dorf kommt man nur durch einen bewachten Eingang, nachdem man den Eintritt bezahlt hat. In den alten Gebäuden wurde ein schönes Hotel eingerichtet und auch hier werden wir auf Deutsch empfangen. Wir dürfen neben dem Swimmingpool unter den Bäumen unser Auto hinstellen und da auch übernachten. Irgendwie fühlen wir uns nicht wohl. Die Leute sind zwar äusserst freundlich und hilfsbereit. Doch wir empfinden die Atmosphäre als aufgesetzt und unecht. Das Gefühl bleibt auch am nächsten Tag während einer Führung bestehen. Ein älterer Mann der ebenfalls hier geboren wurde, führt uns durch alle Räume, erklärt viel, aber nur oberflächlich. Ich wage dann einige Fragen zu stellen. Die Antworten sind ab und zu ausweichend, teilweise aber auch sehr ehrlich. Die Kinder wurden damals von den Eltern getrennt. Mädchen zu Mädchen, Knaben zu Knaben, Männer zu Männern und Frauen zu Frauen. Untereinander hatte man keinen Kontakt. Unser Führer wurde hier geboren, erfuhr aber erst nach 20 Jahren, dass er noch sechs Geschwister hat und konnte erst in den späten 90er Jahren mit seinen Eltern Kontakt pflegen. Schäfer hat sich hier für sich eine richtige Festung aufgebaut mit einem Festungskeller. Unglaubliche Geschichten! Wir sind betroffen, wollen uns aber in den nächsten Wochen noch mehr Informationen im Internet suchen, denn was wir hier sehen und hören ist kaum zu beschreiben. Gezüchtigt, sexuell missbraucht, mit Elektroschocks und mit Psychopharmaka gequält, erlebten Deutsche wie Chilenen diesen Ort.

 

Wir fahren am gleichen Tag bei Regen weiter, denn die Stimmung hier halten wir kaum aus. Wir hoffen weiter nördlich im Weingebiet von St. Cruz auf besseres Wetter. Aber weit gefehlt. Regen, Regen, Regen. Nein, eine Führung bei einem Weinhändler, dazu haben wir bei diesem Wetter keine Lust. Unser nächstes Ziel wäre Santiago. Aber eine Stadtbesichtigung bei Dauerregen und Überschwemmungen? Nein, das kann es auch nicht sein. Also fahren wir noch nördlicher und wollen auf einen Campingplatz in der Nähe von Valparaiso. Von hier aus könnten wir mit Bus und Zug in die Stadt fahren. Müde kommen wir beim Camping an und erfahren, dass er geschlossen ist. Auf unserem ioverlander App finden wir eine Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe eines Shoppingcenter. Hier erleben wir einen Lichtblick. Endlich, nach über einer Woche suchen, finden wir eine Lavanderia. Sofort alle Wäsche einpacken und bringen. Ein englischsprechender Chilene lädt uns dann ein bei ihm zu übernachten. Jorge hat Cabanas, die zurzeit nicht besetzt sind und wir können mit dem Auto davor parkieren und im Auto übernachten. Einfach super, obwohl der Platz fast unter Wasser steht. So fahren wir dann am Sonntag wieder zum Shoppingcenter, parkieren und haben den ganzen Tag Wifi vom Restaurant um unseren Bürokram zu erledigen. Und es regnet! Unterdessen kommt die Meldung, dass alle Übergänge nach Argentinien immer noch geschlossen sind wegen Erdrutschen und Schnee. Und wir planten doch, hier abzubrechen und nach Argentinien zu fahren, denn dort soll das Wetter besser sein! Dazu kommt das Erdbeben in Equador. Ja, wir haben es sehr gut gespürt! Immer ein komisches Gefühl im Womo.



Nach drei Nächten entschliessen wir uns trotz den Warnungen vor Einbrüchen, nach Valparaiso zu fahren. Wir finden einen schönen Platz oberhalb der Stadt und für uns Beide stimmt es. Es ist ruhig hier und es sind immer wieder Leute unterwegs auf dieser Strasse. So gehen wir zu Fuss die steile Strasse hinunter zum Meer, buchen noch eine Walkingtour für morgen und „lädele“. Dann geht es wieder die äusserst steile Strasse hoch zu unserem Auto. Wieso ist unser Badezimmerfenster offen? Nein alles ok, die Türe verriegelt, kein Problem. Beat öffnet und wir schauen uns an. Badezimmertüre offen, Kastentüre offen, Türchen offen, Kissen verschoben. Badezimmerschloss und Kastenschloss ausgerissen. Da sehe ich das offene Fenster in der Küche. Dieses Fenster ist bei uns immer geschlossen! Erstaunlich, das Fenster ist nicht defekt, und doch ist jemand hier eingestiegen. Was fehlt? Geld in unserem „Keller“ ist noch da. Festplatten, Feldstecher, meine Brillen sind noch da. Nein halt, eine Brille fehlt und der alte Computer sowie eine der Festplatten. Den neuen Computer hatten wir in unserer Tasche dabei. Erst am nächsten Morgen merke ich, dass unsere neuen Regenjacken und meine Winterjacke auch fehlen. Wir trösten uns damit, dass wenigstens das Auto noch ganz ist. So fahren wir hier weg und parkieren etwas ausserhalb von Valparaiso auf einem bewachten Parkplatz und können trotzdem gut schlafen. Schliesslich sind wir gesund und das ist wohl das Wichtigste.

 

Wir versuchen mit der Versicherung alles zu klären, denn gestern konnten wir keine Polizei finden für einen Rapport. Wir stehen am Strand bei herrlichem Sonnenschein neben einem Restaurant, haben Internet und versuchen die Probleme mit der Versicherung zu lösen.

Wir sind positiv überrascht. Die Versicherung handelt sofort, und nach 1 ½ Tagen ist alles geklärt, sie bezahlen und wir brauchen nicht einmal einen Polizeirapport! Genial! So entschliessen wir uns morgen weiter zu fahren.

 

Mitten in der Nacht klopft es dann an die Türe. Niemand antwortet. Beat steht trotzdem auf und schaut aus dem Fenster. Die Polizei steht draussen und die nette Dame sagt uns sehr energisch, dass wir hier verschwinden müssen! Und das in der 2. Nacht auf diesem Platz! Na ja, es bleibt uns nichts übrig wie abzubrechen und wegzufahren. Mitten in der Stadt Vina del Mar stellen wir uns dann an den Strassenrand und werden nur noch kurz von der „Ghüderabfuhr“ gestört, die die Container an der Strasse leeren. Dann schlafen wir herrlich bis am Morgen.

 

Das Wetter ist wieder schlechter und wir fahren nordwärts. Irgendwie ist alles ein bisschen unklar. Wir wissen nicht so recht was wir wollen. Die Pässe geschlossen, das Wetter ungemütlich, einfach, na ja, .......Am Mittag entscheiden wir uns dann weiter zu fahren, ein grosses Stück bis kurz vor La Serena. Uwe und Claudia mit ihrer Mia sind eventuell noch auf dem Camping und wir können nach über einem Monat wieder mit jemandem reden. Sonst sind wir immer alleine unterwegs. Und wirklich, sie sind noch da! Den Abend geniessen wir bei einem Glas Wein und haben uns viel zu erzählen! Sie reisen dann am nächsten Tag weiter und wir fahren nach La Serena um einzukaufen. Wir brauchen dringend zwei Regenjacken und eine Winterjacke für mich. Hier kommt ja schon bald der Winter und über die Pässe wird es sicher auch sehr kalt werden. In der grossen Shopping Mall werden wir auch fündig, wir können sogar Dollars wechseln.  Auch Lebensmittel sind wieder aufgefüllt und so können wir zwei Tage im Camping den Strand geniessen. Obwohl, wir müssen noch waschen, Berichte schreiben und die nächsten Tage planen. Wir sind uns rasch einig. Solange das Wetter einigermassen gut ist in Chile bleiben wir hier und fahren morgen zu den Sternwarten und ins „Pisco Sour Land“.



Bei strahlendem Sonnenschein fahren wir Richtung La Serana und parken kurz vorher in Coquimbo. Wir bummeln durch die lebhafte Stadt mit ihren gutbürgerlichen Häusern, die leider fast alle in einem sehr schlechten Zustand sind. Dann fahren wir über steile Strassen hoch zum „Kreuz des 3. Jahrtausends“. Das imposante Betonkreuz ist beeindruckend und die Kirche auf die das Kreuz gestellt wurde ebenfalls. Im offenen Glockenturm schlägt es gerade 12 Uhr und wir müssen uns während dem Geläut die Ohren zuhalten so laut und unharmonisch tönen die neun Glocken. Das Kircheninnere ist sehr einfach, aber sehr eindrücklich. Eine der schönsten modernen Kirchen die wir schon gesehen haben. Auch die Bilder vom Kreuzgang und die Bronzefiguren draussen sind beeindruckend.

 

Unser Weg führt uns dann am kilometerlangen Sandstrand entlang nach La Serena zu einem Parkplatz. Hier bummeln wir noch durch die Fussgängerzone und bewundern die englisch angehauchten Häuser, die fast alle renoviert sind. Abends schlafen wir dann herrlich an der Strandpromenade mit Wellengeräusch.

 

Bei strahlendem Sonnenschein geht es heute ins Elquital. In Vicuna übernachten wir und nehmen noch an einer Sternwarte-Tour teil. Ein interessanter Film zur Einführung mit einem Glas Wein lässt uns hoffen, dass der Abend erfolgreich ist. In einem kleinen Amphietheater werden uns dann die Sternbilder erklärt und auch viel Interessantes über die Sterne. Wir sind froh, dass wir noch eine Wolldecke erhalten. Am Tag war es 30 Grad, jetzt sitzen wir mit der Winterjacke da und es ist sehr erfrischend! Sogar eine warme Suppe erhalten wir! Leider ist das Teleskop nicht das allerbeste, und was man da sieht, ist nicht sehr beeindruckend. Zudem geht es jeweils eine Ewigkeit bis alle 15 Personen einen Blick durch das Fernrohr gemacht haben.

 

Vorbei an Rebenplantagen, die teilweise an den Berghängen „kleben“ fahren wir heute nach Pisco Elqui. Herrlich grün, teilweise schon herbstlich gefärbt sehen die Plantagen super aus nebst den kargen Bergwänden. Da wachsen nur noch Kakteen. So erreichen wir Pisco Elqui und parkieren mitten im Dorf. Kein Problem heute, denn die Saison ist vorbei und viele „Lädeli“ geschlossen. Die Führung in der Pisco-Fabrik können wir aber am Nachmittag auf Englisch machen. Es ist sehr interessant wie sie hier die Trauben gewinnen und aus 5 verschiedenen Sorten den Pisco herstellen. Natürlich dürfen wir auch die eigene Marke "Mistral" probieren, einmal 3 Jahre im Holzfass gelagert, einmal in normalen Fässern gelagert. Für mich sind die 42% einfach zu stark. Da bleibe ich lieber beim Pisco Sour. Zurück in Vicuna auf unserem Stellplatz beim Hotel Terral entschliessen wir uns noch 2 Nächte zu bleiben und morgen das Elquital und ein Seitental zu besuchen.

 

Das Wetter ist herrlich und es wird heute fast 30 Grad! Die Reben an den steilen Wänden und im schmalen Tal sind herbstlich gefärbt und die Berge kahl, ab und zu mit vielen Kakteen bewachsen. Eine einmalig schöne Landschaft. Abends haben wir dann noch Internet und können Website machen, bevor es morgen durch ein Tal südwärts und dann wieder nordwärts nach Serena und weiter in den Norden geht.