________ 3. Juli - 14. Juli
________ 14.Juli - 30. Juli
________ 30. Juli - 1. September
Wie schön ist es doch, in der „Oase“ von René und Marion nördlich von Asuncion anzukommen! Wir können Schweizerdeutsch sprechen, der Platz ist wunderschön unter Bäumen gelegen. Alles was ein Reisender braucht ist vorhanden und Marion ist eine hervorragende Köchin die uns mehrmals bekocht! Wir geniessen die Ruhetage, denn die letzten Wochen sind wir viele Kilometer durch die unendliche Pampa gefahren.
Wir wollen aber auch unsere verschiedenen Probleme lösen. René ist für uns eine gute „Anlaufstelle“, denn in Südamerika funktioniert alles über Beziehungen. Zuerst einmal hilft uns Jürg, ein anderer Reisender aus der Schweiz, mit dem Stromproblem. Mit Beat zusammen baut er unser Batterieladegerät das nicht mehr funktioniert aus. Seit 2 Wochen können wir unsere Gelbatterie nicht mehr mit 220V laden. Nur ein Solarpanel reicht aber für den Kühlschrank nicht aus, wenn wir nicht fahren. Schlussendlich stellt sich heraus, dass es nicht nur an der Sicherung im Gerät liegt und wir Hilfe von einem Elektriker brauchen. Da ist René zur Stelle und schickt uns zu seinem Elektriker im Dorf. Wir finden ihn mit Hilfe von Florian, seinem Sohn. Florian spricht natürlich Spanisch und macht uns klar, dass der Elektriker versucht das Gerät zu flicken. Die „Werkstatt“ ist ein ganz spezieller Ort. Ein kleiner Raum, vollgestopft bis an die Decke mit Elektroschrott. Gerade mal ein 50cm breiter Gang bleibt, um in den hinteren Teil der Werkstatt zum völlig überstellten Arbeitsplatz zu gelangen. Wir sind skeptisch. Florian hat noch einen Freund, der uns zu einer weiteren Werkstatt führt. Hierher dürfen wir in drei Tagen unser Auto hinbringen, um unsere „Beule“ vorne rechts auszubessern.
Am Samstag ist Markt in San Bernardino. Und was für ein Markt! Wir sind fast ein bisschen überfordert. Alle Leute sprechen Deutsch oder Mundart! Es gibt Kasseler, Würste wie zu Hause, Sauerkraut, verschiedene Brote und das Highlight nach über einem Jahr: richtigen Emmentaler-, Greyerzer- und Raclettekäse! Ein richtiger Deutsch/Schweizerischer Markt. Für uns ist aussergewöhnlich, dass wir mit jedem Deutsch sprechen können. Aber wir kaufen ein wie die Grossen und genehmigen uns eine Bratwurst. Lecker!
Am Montag begleiten wir René nach Asuncion und stoppen bei verschiedenen Firmen, in der Hoffnung, Alubleche zu bekommen für unsere defekte Aussenwand. Aber alle Firmen schicken uns immer weiter zu anderen Firmen bis wir aufgeben. Die defekten Stellen sind gut abgeklebt und wasserdicht. In Montevideo versuchen wir dann nochmals Alu zu erhalten.
So geniessen wir das Wochenende mit den anderen Reisenden und bringen das Auto am Dienstag in die Werkstätte zum ausbeulen. Die 5km zurück zum Camping gehen wir im morgendlichen Nebel und kühlen Temperaturen zu Fuss. Ein Temperatursturz von über 20 Grad während der Naht beschert uns einer der kalten Wintertage hier. Am Abend holen wir dann das Auto ab und staunen! Einfach Spitze was der Mann gemacht hat. Man sieht nichts mehr von der Beule, die Farbe hat er auch hingekriegt, genial. Und der Preis: Fr. 45.-!!!!
Am nächsten Tag holen wir unser Batterieladegerät. Und siehe da, es funktioniert! Zwei Transistoren mussten ersetzt und eine neue Sicherung eingesetzt werden. Der Preis Fr. 12.-!! Wir sind überglücklich, denn ohne das Ladegerät und nur mit einem Panel reicht der Strom nicht für unseren Kühlschrank und das Licht. Jetzt sind wir wieder unabhängig und können sogar an einem Ort mit 220V Strom länger bleiben, da wir die Batterie laden können. Zwischendurch benutze ich noch die super gute Waschmaschine von Marion. Die Wäsche ist wirklich sauber nach dem waschen und duftet sehr gut. Was für ein Feeling! Das ist in den „Lavanderias“ hier nicht immer der Fall. So geniessen wir zehn Tage bei René und Marion und lassen uns überzeugen, dass wir nochmals etwa 350km zurückfahren müssen in den Chaco. „Wer nicht im Chaco gewesen ist, ist nicht in Paraguay gewesen“, wird uns gesagt.
Wir fahren früh los. Zuerst durch die Aussenbezirke von Asuncion, an hunderten von Erdbeerständen vorbei. Noch nie haben wir so viele Erdbeeren gesehen! Dann über die Bogenbrücke über den Rio Paraguay und dann auf den Trans-Chaco-Highway nach Norden. Heute ist Sonntag und es hat ziemlich Verkehr. An einer Tankstelle parken wir etwas abseits und wollen hier übernachten. Kaum ausgestiegen sehe ich ein eigenartiges Tier. Ich kann es kaum glauben, aber da läuft doch ganz gemächlich ein Ameisenbär über die Wiese! Wahnsinn!
Die nächste Etappe führt uns dann über löchrige Asphaltstrasse nach Filadelfia der Hauptstadt der Mennoniten Kolonien. In diesem Gebiet leben ca. 15`000 deutschstämmige Mennoniten die insgesamt 1`9 Millionen Hektaren Land besitzen, welches auch von Indianern und Nichtmennoniten bewirtschaftet wird. Die gemeinsame Sprache der Mennoniten ist noch heute Plattdeutsch. Deutsch und Spanisch wird an den eigenen Schulen unterrichtet, sodass wir überall Deutsch sprechen können.
Die Mennoniten haben ihren Ursprung in der Täuferbewegung die in der Schweiz 1525, nach der Abspaltung von der Katholischen Kirche, gegründet wurde. Erwachsenentaufe, Trennung von Kirche und Staat, Ablehnung der Waffengewalt und des Schwureides sind die wichtigsten Glaubensüberzeugungen. Die damals grausamen Verfolgungen in Europa vertrieben die Mennoniten nach Preussen und später unter anderem nach Russland. Die bolschewistische Revolution die das Privateigentum und die Glaubensfreiheit untersagten bewog die Mennoniten zu Beginn des 20Jh. über Deutschland auszuwandern. Im Jahre 1930 wurde ihnen im Chaco, bekannt als „grüne Hölle Südamerikas“, eigenes Land zugesprochen. Mit der finanziellen Unterstützung der amerikanischen Mennonitengemeinschaft haben sie das Unvorstellbare geschafft und den Dschungel mit meterhohem Dornengestrüpp in ein blühendes Land verwandelt. Ein Sondergesetz in Paraguay sichert ihnen die Religionsfreiheit, die Befreiung vom Militärdienst, das Recht auf eigene deutsche Schulen, sowie eine autonome Verwaltung zu. Im Gegenzug erwartete man die wirtschaftliche Erschliessung des noch unberührten Chaco. Heute stammen die wesentlichen Einnahmen der Mitglieder der Kolonien aus der Viehzucht, Agrarwirtschaft und der Milchproduktion. Was fehlt ist Trinkwasser, denn hier ist das Wasser immer leicht salzhaltig. Die Mennoniten haben sich deshalb ein Zisternensystem angelegt, denn im Sommer wird es hier bis zu 45Grad! Heute leben 40% Mennoniten und 60% paraguayische Indianer in der Gegend. Die sozialen Probleme sind gestiegen und der soziale Frieden kann nur erreicht werden, indem die Mennoniten versuchen die Indianer zu integrieren. Ihnen wird unter anderem Land zur Verfügung gestellt und Schulen angeboten. Die eigenen Schulen, Krankenhäuser und auch der Radiosender, natürlich in Deutsch, haben europäischen Standart.
Wir besuchen das Mennonitenmuseum in Filadelfia und unser Führer erzählt uns viel über die Geschichte. Das Museum ist sehr eindrücklich gestaltet und mit vielen Informationen über die beschwerlichen Anfänge der drei Kolonien, Menno gegründet 1927, Fernheim gegründet 1930, und Neuland geründet 1947. Das Naturkundemuseum ist auch sehr interessant mit den präparierten Tieren der Pampa sowie mit Informationen zu der Pflanzenwelt. Wir sind beeindruckt und freuen uns sehr, dass unsere Fragen vom Führer so authentisch beantwortet werden. Gegen Abend kaufen wir im grossen Shopping der Kolonie ein und staunen ein weiteres Mal. Natürlich wird auch hier deutsch gesprochen und wir haben das Gefühl in einem deutschen Supermarkt zu stehen. Das Angebot ist sehr Deutsch geprägt und damit wesentlich anders wie in den Supermärkten von Südamerika. Schlussendlich sind wir müde und wollen nur noch essen und dann schlafen. Auf dem Shoppingparkplatz wollen wir übernachten, aber leider, es ist schon 21.00 Uhr und noch 30Grad warm, kommt der Nachtwächter und erklärt uns, natürlich auf Deutsch, dass wir nicht hierbleiben können. So fahren wir in die nächste Querstrasse unter eine Strassenlampe, parken am Strassenrand und verbringen bis um 6.00 Uhr eine ruhige Nacht.
Am nächsten Morgen gehen wir nochmals ins Touristenbüro und eine nette Dame überrascht uns wiederum mit eindrücklichen Erzählungen über das Leben hier. Endlich geht es los, wir fahren aufs Land und in verschiedene Dörfer. Über 5000km Erdstrassen führen durch die Kolonien und werden von diesen gepflegt. Sie sind in einem sehr guten Zustand. 10 – 15m breite Pisten, umrandet von Gebüsch. Wie die Städte, ist auch das Land in Parzellen geteilt und alle sind rechteckig angelegt. Deshalb verlaufen die Strassen gerade und die Abzweigungen rechtwinklig. Die Orientierung ist für uns schwierig und eine Strassenkarte gibt es auch nicht. Zum Glück haben wir das Navi! Die Landschaft ist geprägt von Weideland, Ackerland und Salzlagunen mit vielen Vögeln. Loma Plata, die Hauptstadt der 2. Kolonie ist grosszügig mit 30m breiten Strassen angelegt und sehr Deutsch. Wir treffen hier weniger Indianer an. Neuhalbstadt, Hauptort der 3. Kolonie wurde erst 1947 gegründet und ist ebenfalls grosszügig gebaut und sehr modern. Hier übernachten wir an einer Tankstelle. Leider müssen wir nachts um 23.00 Uhr umparken, denn die Fahrer der Lastwagen neben uns machen ein Feuer. Mit weiblicher Unterstützung und mit Hilfe eines lauten Radios machen sie eine Party.
Heute geht es weiter in die Pampa, zu Barbara und Hansueli, zwei Schweizern mit einer Estanzia. Wir werden herzlich empfangen und geniessen drei Tage hier. Ihre Estanzia ist vergleichsweise klein mit 480 Hektaren. Diese Grösse einer Estanzia kann noch von zwei bis drei Personen bewirtschaftet werden. Sie haben einen Angestellten, der in einem Nebenhaus mit seiner Familie lebt. Wir leben hier zwischen den frei laufenden Schweinen und Hühnern auf dem Vorplatz. Während ihren Pausen, in denen sie wie hier üblich Teneré (gekühlten Maté) trinken, plaudern wir viel und erfahren so viel über das Leben der Auswanderer hier. Schnell ist aber klar, ohne zu arbeiten, geht es auch hier nicht! In dieser Gegend braucht es für eine Kuh 1ha Land. So kommt es, dass Barbara und Hansueli im Moment ca. 380 Kühe und Kälber haben. Zur Zeit kalben die Kühe und leider haben die Beiden sehr viel Pech. Die Kälber sind alle sehr gross und es kommt fast täglich zu Todgeburten. Sie erzählen uns, dass sie deshalb den Stier austauschen müssen. Dieser lebt jeweils für ca. 4 Monate auf der Kuhweide und wird dann separiert. Zudem müssen sie auf 2 Feldern heuen und Ballen machen, damit sie in der Trockenzeit genügend Futter haben. Ein sehr spezielles Leben, weit ab von der Stadt, erreichbar nur über Pisten die zur Regenzeit schlecht bis gar nicht befahrbar sind. Das Trinkwasser gewinnen sie aus einer 300m tiefen Bohrung. Da hat es Grundwasser das von den fernen Anden kommt.
Die Zeit vergeht viel zu schnell, aber wir haben uns entschieden noch weiter nördlich zu fahren, in die Schweizerkolonie Rosaleda, um da den 1. August zu feiern.